Freitag, 3. Juni 2016

Verdun - Cold Harbor


Es ist in diesen Tagen der Schlacht von Verdun gedacht worden. Es hat für das Fernsehen inszenierte Spektakel gegeben, die wenig mit der schrecklichen Wirklichkeit von Verdun zu tun hatten. Die Intelligenz, die man in England bei der Inszenierung für die Eröffnung der Olympischen Spiele hatte (lesen Sie ➱hier mehr) hatte, die besaß Volker Schlöndorff nicht. Der alberne Totentanz von Verdun war schamlos, titelte die ➱Welt, und wo sie recht hat, da hat sie recht.

Die Inszenierung von Merkel und Hollande im blutrot ausgeleuchteten Keller von Douaumont schien aus der Welt der ➱Gothic Novel zu kommen. Die Schwarz-weiß Bilder aus dem Ersten Weltkrieg will heute niemand mehr sehen, alles muss schön bunt sein. Und es gibt längst ein Videospiel, das Verdun heißt, geht's noch perverser? Vielleicht hätten sich Merkel und Hollande ➱Bertrand Taverniers Film Das Leben und nichts anderes (La vie et rien d'autre) zum Vorbild dafür nehmen sollen, wie man eine Gedenkfeier richtig inszeniert.

In den achtziger Jahren konnten die Franzosen das noch, wenn man an Mitterand mit seiner Rose im Panthéon denkt. Das war doch eine ➱Inszenierung, die einen Oscar verdient hätte. Und wenig später Mitterand und Kohl, die der Toten von Verdun auf eine ganz andere Art und Weise - und würdiger - gedachten als das Spektakel von Volker Schlöndorff das tat.

Als ich zur Schule kam, wusste ich schon alles über Verdun. Weil mein Opa mir seinen Krieg erzählt hatte. Er hatte seine ➱Photoalben mit den schon gelbstichig geworden Photos auf den Knien, von Zeit zu Zeit griff er zu einem Buch über den Krieg, das viele Abbildungen enthielt. Und so bekam ich Tag für Tag eine Stunde eine Lektion über den Krieg, bis wir zum Kemmelberg, das heißt der Vierten Flandernschlacht, kamen. Für den pensionierten Lehrer war dies die Fortsetzung der Unterrichtstätigkeit mit anderen Mitteln. In der Ersten Flandernschlacht hatte Opa sein Eisernes Kreuz erhalten, Verdun blieb dem Hauptmann der Reserve erspart.

Ein halbes Jahrhundert vor Verdun hat es im amerikanischen Bürgerkrieg schon einmal eine Schlacht gegeben, die Verdun ähnelte, die viel von dem Grauen des modernen Krieges hat. Ich bin nicht der erste, der eine Verbindung von Verdun und Cold Harbour sieht. An der Uni Greifswald hat es im letzten Jahr eine Vorlesung von Robert Riemer mit dem Titel 50 Jahre vor Verdun - Cold Harbour und Petersburg als frühe Beispiele für den industrialisierten Massenkrieg gegeben. Die Schlacht von Cold Harbor ist das Ende von General Ulysses S. Grants Overland Campaign, die 1864 den ganzen Mai über geht. Grant hatte gerade den neuen Dienstgrad eines Generalleutnants bekommen (den zuvor Washington gehabt hatte) und war Oberkommandierender der Armee geworden.

Wäre es nach Mrs Lincoln gegangen, wäre das nicht geschehen: He is a butcher and is not fit to be at the head of an army. Yes, he generally manages to claim a victory, but such a victory! He loses two men to the enemy's one. He has no management, no regard for life, sagt sie ihrem Gatten. Grant will jetzt eine Entscheidung, er will den Showdown: I propose to fight it out on this line if it takes all summer. Hatten sich bisher im Bürgerkrieg nach Schlachten die Truppen beider Seiten zurückgezogen, sich regeneriert und neu aufgestellt, setzt Grant jetzt auf ständigen Kampf. Egal ob er eine Schlacht verliert, er beginnt beinahe am nächsten Tag eine neue. Die Schlachten dauern jetzt auch länger, die von Spotsylvania Court House wird zwölf Tage dauern.

I tell you many a man has gone crazy since this campaign began from the terrible pressure on mind & body, sagt ein Hauptmann der Nordstaaten. Er ist kriegsmüde. Im Mai 1864 hatte er seinen Eltern geschrieben: I have made up my mind to stay on the staff if possible till the end of the campaign & then if I am alive, I shall resign—I have felt for sometime that I didn’t any longer believe in this being a duty & so I mean to leave at the end of the campaign as I said if I’m not killed before. Cold Harbor wird seine zehnte Schlacht sein. Er wird sie überleben und Jahrzehnte später dem Präsidenten ➱Franklin Delano Roosevelt erzählen, wie man ihn als jungen Leutnant auf dem Schlachtfeld liegen ließ, weil man ihn für tot hielt. Da ist Oliver Wendell Holmes schon über neunzig, und ist gerade als Richter des Supreme Court zuückgetreten.

General Lee ist in die Defensive gezwungen, das mag er nicht besonders, er greift lieber an. Seine Armee ist nur halb so groß wie die Armee des Nordens, aber Grant wird in der Overland Campaign Verluste haben, die sich in der Größenordnung von Grants Armee bewegen. War of attrition nennt man so etwas, ein Abnützungskrieg, Verdun war nichts anderes. Am 3. Juni 1864 will Grant mit seinem Angriff auf die Truppen des Südens den Vernichtungsschlag. Es wird für den Norden eine Katastrophe. We felt it was murder, not war, or at best a very serious mistake had been made, schreibt der Soldat Newell Smith vom 155. New York Regiment.

Es gibt keinen Hafen in Cold Harbor, es ist da auch nicht kalt. Es gibt eine Cold Harbor Tavern, die einem Isaac Burnett gehört, der angeblich nur kalte Speisen serviert. Cold Harbor ist für Lee keine unbekannte Gegend, zwei Jahre zuvor hat er hier schon einmal eine Schlacht geschlagen. Cold Harbor ist zehn Meilen von Richmond, der Hauptstadt des Südens, entfernt. Da glaubte man schon 1861 ganz schnell einmarschieren zu können. Die Schlacht von ➱Bull Run wurde zu einer Katastrophe für den Norden. Die Schlacht von Cold Harbour drei Jahre später auch. Grant wird nach der Schlacht über den Angriff vom 3. Juni 1864 sagen: I regret this assault more than any one I have ever ordered. I regarded it as a stern necessity, and believed it would bring compensating results; but, as it has proved, no advantages have been gained sufficient to justify the heavy losses suffered.

Am Ende von Grants großem Feldzug geht alles schief, was schiefgehen kann. Man hat vergessen, eine solide Aufklärung zu betreiben, jede der kämpfenden Einheiten nahm an, dass die andere das gemacht hätte. Man weiß so gut wie nichts über das Befestigungssystem, das Lee in wenigen Tagen aufgebaut hat. Das ein Journalist so beschrieb: They are intricate, zig-zagged lines within lines, lines protecting flanks of lines. Lines built to enfilade an opposing line, lines within which lies a battery ... a maze and labyrinth of works within works and works without works. Einzig General Barlow wird es für einen kurzen Augenblick gelingen, in die Befestigungen des Südens einzudringen, aber dann muss er sich zurückziehen. General Barlow Charging the Enemy at Cold Harbor heißt dieses Bild, auf dem nichts von dem Grauen zu sehen ist. Diese schönen Bilder vom Krieg, auf denen wir nie erkennen können, was geschieht, werden den Photographien weichen.

Francis Barlow, der wegen seines jugendlichen Aussehens auch the Boy General genannt wird, ist ein Vorzeigesoldat der Union. Barlow (auf diesem Photo ganz links, rechts neben ihm sitzend General Winfried Scott Hancock) ist der junge Dandy, der sich niemals an die Vorschriften der Dienstkleidung hält. Nur auf dem Gemälde von seinem Cousin ➱Winslow Homer ist er korrekt gekleidet. Er trägt auf dem Photo seine Uniformjacke gegen alle Vorschriften aufgeknöpft. Wahrscheinlich sollen wir sein kariertes Hemd mit dem weißen Kragen bewundern, das sich in keiner Dienstvorschrift findet. Und dann diese arrogante überlegene Pose - wenn einer sich zu inszenieren versteht, dann ist das Francis Barlow. Die Presse liebt ihn, denn wenn jemand aussieht wie Paul Newman, Steve McQueen oder Robert Redford, dann kann man den auch gut verkaufen. Wo es doch jetzt Mathew Brady und die Photographie gibt. Neben dem ➱Krimkrieg ist dies der erste photographierte Krieg der Geschichte. Von nun an haben wir Bilder von allem, vor allem von Tod und Zerstörung. Sie haben aber keinen Lerneffekt für die Menschheit, die Bilder von Tod und Zerstörung haben wir heute noch.

Um halb fünf am Morgen des 3. Juni hatte der Angriff der Nordstaaten begonnen. Die Soldaten hatten ihre Namen auf Zettel geschrieben, die sie in ihrer Uniform befestigten, sie ahnten, was kommen würde. Sie marschieren im Nebel in ihr Unheil. Es gibt wie immer zuerst ein Artilleriefeuer, aber kaum ist das zu Ende, antwortet der Süden mit einem konzentrierten Gewehrfeuer aus tausenden von Gewehren. Ein Artillerist des Nordens wird das beschreiben als: It had the fury of the Wilderness musketry with the thunders of the Gettysburg artillery super-added. It was simply terrific.

Der Angriff gegen die Schützengräben Lees ist in wenigen Minuten zu Ende. Um sieben Uhr erteilt Grant General Meade noch einen Angriffsbefehl. Die Soldaten weigern sich. Ihre Kommandeure auch. General William Baldy Smith hält den Befehl für a wanton waste of life. Um halb eins teilt Grant dem General Meade mit, dass die Schlacht verloren sei. Er schreibt ein schönes Englisch, Gertrude Stein hat seinen Stil bewundert. Er kann nicht schreiben: We have lost the battle. Er schreibt: The opinion of the corps commanders not being sanguine of success in case an assault is ordered, you may direct a suspension of further advance for the present. Seinen Präsidenten wird Grant erst einmal belügen: We assaulted at 4:30 this morning, driving the enemy within his intrenchments at all points, but without gaining any decisive advantage. Our troops now occupy a position close to the enemy, some places within 50 yards, and are intrenching. Our loss was not severe, nor do I suppose the enemy to have lost heavily, steht in dem Telegramm, dass er nach Washington schickt.

Er will nicht anerkennen, dass er verloren hat. Er weigert sich tagelang, einen Unterhändler mit einer weißen Flagge zu Lee zu schicken, damit die Verwundeten und Toten auf dem Schlachtfeld geborgen werden können. Die Zeit der Ritterlichkeit ist vorbei. Das ist eine weitere Katastrophe. Grant delayed sending a flag of truce to General Lee for this purpose because it would amount to an admission that he had been beaten on the 3d of June. It now seems incredible that he should, for a moment, have supposed that any other view could be taken of that action, wird General Francis Amasa Walker schreiben, kein Mann aus dem Süden, sondern ein Offizier im Stab von Hancock. Es wird noch vier Tage dauern, bis die Toten und Verwundeten geborgen werden können. Falls dann noch ein Verwundeter gelebt haben sollte.

Die Schlacht von Spotsylvania Court House war die erste Schlacht des amerikanischen Bürgerkrieges gewesen, in der es eine Front aus ausgebauten Grabensystemen und Brustwehren gab. Die Schlacht zeigte (wie wenig später Cold Harbor) schon eindrucksvoll, dass bei dieser Art des Kampfes ein Angriff der Infanterie auf gut ausgebaute Stellungen reiner Wahnsinn war. Und Spotsylvania und Cold Harbor werden ihre Spuren bei den Soldaten des Nordens hinterlassen: The men feel just at present a great horror and dread of attacking earthworks again and the unusual loss of officers, which leave regiments in command of lieutenants, and brigades in command of inexperienced officers, leaves us in a very unfavorable condition for such enterprises, wird General Barlow seinen Vorgesetzen schreiben. 

Cold Harbor war der letzte Sieg des Südens, Jubal Early muss bei seinem ➱Angriff auf Washington zehn Meilen vor dem Weißen Haus wieder abdrehen. We haven’t taken Washington, but we scared Abe Lincoln like hell, wird er seinem Adjutanten sagen. Das stimmt wohl, Grant schickt aus lauter Angst per Bahn und Schiff ein ganzes Korps gegen die kleine Truppe von General Early. Edward Porter Alexander, der bei Gettysburg die Artillerie der Konföderierten kommandierte, hat Cold Harbor als our last, and perhaps our highest tide bezeichnet. Moltke hielt den Bürgerkrieg für Scharmützel zweier bewaffneter Pöbelhaufen die sich durch das Land verfolgten und von denen nichts gelernt werden kann. Dennoch sind genügend Militärbeobachter aus Europa in Amerika (unter anderem der junge Graf Zeppelin), die Berichte über die Schlacht von Cold Harbor werden in den Generalstäben studiert werden. Man zieht aus Kriegen nie die Lehre, wie man sie vermeidet, sondern immer nur die, wie man noch effektiver töten kann.

Einen Tag nach der Schlacht wird der Leutnant Curtis Clay Pollock vom 48 Pensylvania Regiment seiner Mutter schreiben: My Dear Ma, I was very much pleased to receive your letters, the one of the 20th a few days ago and the one of the 27th yesterday. We had another severe engagement yesterday and lost pretty heavily. Alex Govan and James Alison were killed. Both were hit in the head and killed almost instantly. Sergt. C.F. Kuentzler was wounded severely in the arm. John Hutton was struck on the back of the fingers and cut a little. He will be back to the Company today. William Martin was struck in the ankle and bruised pretty badly. The loss in the Regt. is 10 killed and 42 wounded I do not know anything new and have no idea what is going on. The Rebs we were fighting yesterday left again last night and we are now out as skirmishers but there are no Rebels in front of us. John Hodgson is well and quite anxious to hear from home. He has not had a letter for some time. [Edward] Flanagan and [John] Humble are all right. I had a ball cut a piece out of the top of my hat yesterday and knocked it about ten feet from me. It is the nearest I have ever had a ball come to me. Hoping you are all well, I remain Your Affectionate Son C.C.P. With Much Love To All

Vierzehn Tage nach diesem Brief fällt Leutnant Pollock im Stellungskrieg von Petersburg, wo sich Lee eingegraben hat. Neun Monate später wird Lee bei ➱Appomattox kapitulieren.


Lesen Sie auch: Der amerikanische Civil War: Ein Literaturbericht13th Massachusetts Infantry RegimentUlysses S. GrantWinfield ScottHookerCuster, Gettysburg, Pennsylvania, Gettysburg Address, Abraham Lincoln, Shiloh, Generäle

Dienstag, 2. Februar 2016

Burger Schanze


Am 2. Februar 1654 starb der Schotte William Forbes, das muss mal eben erwähnt werden. Weil er im bremischen Burg starb. Das ist der Ort an der Lesum, wo man in den fünfziger Jahren in den ➱Trolleybus umsteigen musste, wenn man nach Bremen wollte. Dort haben sich die Bremer im Ersten Bremer Krieg gegen Schweden verschanzt. Die Burger Schanze fällt im September 1654, dann kommt der Erste Stader Vergleich, das hat Forbes nicht mehr erlebt. Am Ende seiner kurzen Autobiographie finden sich die Zeilen

die so viel Gutt verschossen
Und so viel tapferes Blut vergossen,
Doch bis dato kein recompens genossen.

Und eine unbekannte Hand hat auf einer neuen Seite hinzugefügt: This memorial the late Colonel William Forbes composed shortly before his death. In it he has concisely and prettily told about his military services during twenty years. By all the officers, high and low, he has been much praised and loved in all this time. In the fortieth year of his life he died in the unfortunate and miserable hole of Burgk; he that had been present at so many famous battles, skirmishes and mighty attacks and earned so much undying honour and glory therein. His loss has been grievously felt by all, and he has been wept over by two kings.

William Forbes ist Oberst in der schwedischen Armee gewesen. Er muss ein gebildeter Mann gewesen sein. Ludwig I. von Anhalt-Köthen nahm ihn 1649 in die Fruchtbringende Gesellschaft auf und verlieh ihm den Gesellschaftsnamen der Sonderliche und die Devise wider Winde und Flüsse. William Forbes ist nicht der einzige Schotte, der fern von der Heimat militärische Ehren sucht, da gibt es in den europäischen Armeen noch vierzig andere Forbeses. Von denen aber keiner in einer gelehrten Gesellschaft ist. Wenn Sie alles über die wissen wollen, dann lesen Sie doch ➱The Scots in Sweden. Ich weiß ein wenig über die Schotten in Europa im 17. Jahrhundert, weil ich beim Bund einen Kumpel hatte, der ➱Löwis of Menar hieß. Der hat mir mal seine Familiengeschichte erzählt, er kommt auch schon in dem Post ➱Thomas Lawrences Blücher vor. Und über die Burger Schanze weiß ich alles, weil ich als Kind den melodramatischen Roman von Trude Wehe Vryheit do ik ju openbar gelesen habe. Wunderbar für eine Halbbildung über den bremischen Krieg gegen die Schweden.

Der Stader Vergleich sichert den Schweden die Burger Schanze, aber mein Heimatort Vegesack bleibt bei Bremen. Wenn Sie alles über diesen Krieg wissen wollen, dann sollten Sie die Chronik des Lehrers Peter Koster Warhafte, kurtze und einfältige Beschreibung dessen, was sich von anno 1600 bis hero in der Kayserlichen Freyen Reichs und Hansestadt Bremen Merkwürdiges zu Kriegs- und Friedenszeiten, auch in andern Begebenheiten zugetragen lesen. Oder den Post ➱Lieutenant Lindhövel in diesem Blog. In Burg, das heute Burglesum heißt (und das ➱hier einen Post hat), hört man dies unfortunate and miserable hole of Burgk natürlich nicht so gern. Aber ehrlich gesagt ist da auch nicht so furchtbar viel los. War auch nie was los. Nur in den beiden ➱Kriegen der Bremer gegen die Schweden. Der Krieg ist der Vater aller Dinge. Als man die Burger Schanze 1784 einebnete, standen da drei Häuser.

Williams Forbes, der Sonderliche, der mit zwanzig Jahren seit Heimatland Schottland verließ, ist kein einfacher Forbes. Er ist der Sohn eines Lords, des zehnten Lord of Forbes. Seine erste Station in Deutschland war Osnabrück, wo sein Verwandter Mattias Forbes schwedischer Gouverneur war. Der vermittelt ihn an einen Landsmann namens Walter Leslie, kaiserlicher Feldmarschall und Reichsgraf, in Bremen tritt der junge William Forbes im Jahre 1635 in das Regiment Leslie ein. Und ist mittendrin im Dreißigjährigen Krieg. Wenn Sie alles über den schottischen Condottiere lesen wollen, dann klicken Sie diesen ➱Blog an.

Montag, 25. Januar 2016

Admiräle


Amerika hat Seehelden wie ➱Stephen Decatur (Bild) oder ➱John Paul Jones. Das sind die Herren, die so schöne Sätze wie Right or wrong, my country! und Sir, I have not yet begun to fight gesagt haben. Beide haben natürlich schon einen Post in diesem Blog. Aber Amerika hat auch andere Admiräle. Und zwar solche, die in der letzten Zeit den Ruhm der Navy ein wenig in Verruf gebracht haben. Im Oktober verlor der Rear Admiral David Baucom seinen Posten, weil er bei einer Konferenz hackevoll aus dem Saal geschleift werden musste und hinterher splitterfasernackt am Strand spazieren ging.

Und gerade in diesem Monat wurde der Rear Admiral Rick Williams von seinem Kommando abgelöst. Wegen allegations of misuse of government computer equipment, angeblich soll er auf seinem Dienstcomputer Pornos geguckt haben. Er müsste schön blöd sein. Zum einen blockiert das US Navy/Marine Corps Intranet (NMCI) den Zugang zu Pornoseiten, zum anderen weiß jeder Navy Angehörige, der sich mit geheimen Passwort und Namen einloggt, dass alles registriert wird, was er in diesen Computer tippt. Wir können uns im Fernsehen einmal in der Woche die Heldentaten von Jethro Gibbs und seinem NCIS Team anschauen, aber hier hat man wohl etwas schlampig ermittelt.

Marine, Frauen, Erotik und Pornographie, das sind so Probleme. Das fängt schon bei alten Schiffen mit der Galionsfigur an. Meistens weiblich. Wie die meisten Schiffsnamen. Und dann all das, was da im Meer herum schwimmt. Leslie Fiedler soll mal in einem Vortrag gesagt haben, dass der weiße Wal in Moby-Dick die überzeugendste Frauenfigur in der amerikanischen Literatur ist. Die Begegnungen mit Sirenen, ➱Meerjungfrauen und Hexen in der Gestalt von Seehunden lassen wir jetzt mal draußen vor.

Und dann haben wir noch die Pin Ups in den Spinden. Bei denen die Matrosen ihren Vorgesetzten wohl nur in den seltensten Fällen erzählen können, dass es sich da um ein Bild ihrer Mutter handelt. Dies hier ist natürlich ➱Rita Hayworth, wahrscheinlich Pin Up Number One des Zweiten Weltkriegs. Das Photo, das Ann-Margret berühmt machte, finden Sie ➱hier. Vor zehn Jahren quittierte ein Kaplan der Royal Navy den Dienst, weil er die überall sichtbare Pornographie an Bord nicht mehr aushielt. Und dann haben wir da noch den US Navy Lt Commander John Thomas Matthew Lee (auch ein Priester), der gerade wegen Kinderpornographie von Gericht steht. Ihn erwarten wohl zwanzig Jahre Gefängnis.

Frauen an Bord bringen Unglück, sagt der Volksglaube. Der Germanist Wolfgang Stammler hat in einem volkskundlichen ➱Artikel mit dem Titel Seemanns Brauch und Glaube alles gesammelt, was mit Kawenz- und Klabautermann zusammenhängt. Doch soviel Unglück können Frauen offensichtlich gar nicht bringen. Admiral Nelson (und andere Kapitäne in dieser Zeit) hatte nichts gegen Frauen an Bord der Schiffe seiner Majestät, das kann man in N.A.M. Rodgers Geschichte der Royal Navy The Command of the Sea nachlesen. Inzwischen gibt es überall in der Marine Frauen an Bord, die amerikanische Marine hat seit den siebziger Jahren sogar weibliche Admiräle.

Was macht man mit Admirälen, die straffällig geworden sind? Kielholen? Die neunschwänzige Katze? Piraten knüpft man an der Rah auf. Matrosen auch. Melvilles Novelle ➱Billy Budd handelt davon. Man kann einen Admiral natürlich erschießen. Kommt selten vor, ist aber im Fall von John Byng, der ➱hier einen langen Post hat, geschehen. Seine Familie ließ auf den Grabstein schreiben: To the perpetual disgrace of public justice The Honble John Byng Esqr Admiral of the Blue Fell a Martyr to Political Persecution. 

Voltaire, der lange in England lebte, schrieb damals: In this country, it is wise to kill an admiral from time to time to encourage the others. Und der Newgate Calendar fand die Worte: Thus fell, to the astonishment of all Europe, Admiral John Byng who was at least rashly condemned, cruelly sacrificed to vile political intrigues. Zwei Vizeadmiräle hatten sich geweigert, das Urteil zu unterschreiben, hingerichtet wurde Byng trotzdem. Er war der erste und der letzte englische Admiral, dem so etwas widerfuhr.

Offensichtlich spielt die Politik eine Rolle, wenn es um angebliche Verfehlungen von Offizieren geht. Es war etwas absurd, dem amerikanischen Admiral Husband E. Kimmel (Bild) nach Pearl Harbor zwei seiner vier Sterne wegzunehmen. Er hätte das Desaster wohl kaum verhindern können. Die Militärgeschichte ist voll von Beispielen der Ungerechtigkeit. Der Neffe des Generals von der ➱Marwitz ließ auf seinen Grabstein setzen: Sah Friedrichs Heldenzeit und kämpfte mit ihm in all seinen Kriegen. Wählte Ungnade, wo Gehorsam nicht Ehre brachte. Die Kießling Affäre der Bundeswehr wollen wir jetzt lieber nicht erwähnen.

In Deutschland kann ein Admiral (oder General) jederzeit ohne Angabe von Gründen in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Der amerikanische Präsident ist der Oberkommandierende der Streitkräfte, auch er kann jederzeit einen Admiral entlassen. Der jetzige Präsident hat nicht gedient, er ist einer von zwölf Präsidenten, der keine militärische Karriere hat. Alle anderen waren Offiziere. Barack Obama hat vielleicht in den letzten fünf Jahren mehr Stabsoffiziere gefeuert als andere Präsidenten zuvor (beinahe zweihundert). Rechtspopulistische Kreise sehen in ihm eine Gefahr für Amerika. Aber glücklicherweise regieren Admiräle und Generäle nicht das Land. Man kann sie jederzeit feuern.

Douglas McArthur musste das 1951 erfahren: 1951 war wohl der einzige Moment in der Geschichte, in dem Amerika kurz davor stand, das Schicksal der römischen Republik zu teilen. Der Mann, der die Rolle Cäsars gespielt hätte, war General Douglas MacArthur. […] Er überschritt gewissermaßen den Rubikon, als er Truman auch öffentlich kritisierte. Die Herausforderung des Präsidenten fand nicht nur den Beifall, sondern auch die Unterstützung der Führung der Republikaner im Kongress sowie eines beachtlichen Teils der konservativen Presse. Als Truman ihn ablösen ließ und er zu Hause als Held empfangen wurde, schien die Verfassung zur Disposition zu stehen, schrieb der Historiker Niall Ferguson.

Admiral Rick Williams (hier mit seiner Frau Suzy im Jahre 2014 in Hawaii) ist nicht Douglas McArthur. Seine Absetzung ein halbes Jahr nachdem er die Carrier Strike Group 15 übernommen hatte, bleibt rätselhaft. Vorerst ist er administratively reassigned to the staff of Commander, U.S. Third Fleet. Ich nehme mal an, dass diese Versetzung auch bedeutet, dass er noch Gehalt bekommt.

Echte Sorgen mache ich mir nicht, es gibt eh zu viele von der Spezies Admiral. Das hat Cyril Northcote Parkinson, dem wir die schöne ➱Biographie The Life and Times of Horatio Hornblower und ein halbes Dutzend Seeromane verdanken, schon in seinem Buch Parkinson's Law bewiesen. Das von ihm gefundene Gesetz über die Vermehrung der Beamtenstellen kennen wir alle aus dem alltäglichen Leben. Parkinson nahm in seinem ➱Buch dafür Statistiken der Royal Navy als Beispiel. Im Jahre 1914 hatte England 62 Schlachtschiffe, Panzerkreuzer und Kreuzer, die von 2.000 Beamten in der Admiralität verwaltet wurden. 1928 waren es nur noch zwanzig Schiffe, aber es gab mittlerweile 3.569 Beamte. Auch heute hat sich das Missverhältnis nicht geändert: vor drei Jahren kamen auf 19 einsatzfähige Kampfschiffe vierzig Admiräle und 260 Kapitäne. Man fragt sich bei solchen Zahlen immer wieder: was machen die alle? Pornos gucken?

Es gibt viele Admiräle in diesem Blog. In dem Post ➱Admiral Thomas Cochrane finden Sie eine Liste der Links zu den Posts, in denen ein Admiral vorkommt. Also ohne den Opel Admiral und den Schmetterling (Vanessa atalanta).

Dienstag, 8. September 2015

Lake George


Heute vor 260 Jahren fand am Lake George im Norden der Provinz New York eine Schlacht statt. Genau genommen sollte man es wohl eher ein Gefecht nennen, denn es sind vielleicht nur anderthalbtausend Soldaten auf jeder Seite. Aber Battle of Lake George klingt nun mal besser. Wir sind in dem selben Krieg (obgleich die Kriegserklärung erst im nächsten Jahr kommt), in dem wir auch die Schlacht von ➱Minden haben, aber wir sind auf einem anderen Kontinent. Und hier heißt der Krieg French and Indian War. Das weiß jeder, der James Fenimore Coopers The Last of the Mohicans gelesen. Der Roman spielt zwei Jahre nach der Schlacht von Lake George, hat aber auch etwas mit ihr zu tun.

Die Engländer gewinnen gegen die Franzosen, auf beiden Seiten kämpfen Indianer. Auf diesem Bild von ➱Benjamin West muss der englische General William Johnson einen Indianer davon abhalten, den Anführer der Franzosen zu massakrieren. Der heißt Ludwig August von Dieskau und kommt aus Sachsen (der deutsche Sänger ➱Dietrich Fischer-Dieskau ist bestimmt mit ihm verwandt). Wie kommt ein sächsischer Baron nach Amerika? Die Erklärung hierfür ist einfach, dieser Dieskau ist ein Freund von ➱Maurice de Saxe und war lange sein aide-de-camp. Jetzt ist er General einer kleinen französischen Armee in Kanada und heißt bei den Franzosen Jean-Armand de Dieskau. Ob es die Szene, die uns Benjamin West zeigt, wirklich gegeben hat, ist sehr fraglich. Genauer gesagt, Kunsthistoriker bezweifeln inzwischen, dass der am Boden liegende Herr wirklich von Dieskau ist.

Aber diese Szene hat es wohl wirklich gegeben, wenn auch nicht in dieser kruden Form eines alten amerikanischen Geschichtsbuchs. Dieskau war schon von mehreren Kugeln am Bein getroffen worden, sein Stellvertreter Pierre-André de Montreuil hatte ihn gegen einen Baum gelehnt. Da will Dieskau bleiben, er will nicht gerettet werden. Er könne genau so gut hier sterben wie im Bett, sagt er. Er befiehlt Montreuil den Rückzug. Montreuil wird später kritisiert werden, dass er seinen General in die Hände der Engländer fallen ließ, aber Dieskaus Briefe aus England befreien ihn von aller Schuld. Man geht damals bei allem Gemetzel noch vornehm miteinander um. Der englische General Johnson (selbst in der Schlacht angeschossen) kümmert sich rührend um den verletzten Feind, er nimmt ihn nach der Schlacht mit nach Hause nach Albany, damit Dieskau seine Wunden auskurieren kann.

Zwei Tage nach der Schlacht schreibt General Dieskau aus dem Zelt des Generals Johnson an den Marquis de Vaudreuil, den Gouverneur von Neu Frankreich (der erste, der in Kanada geboren wurde): I am defeated; my detachment is routed; a number of men are killed and thirty or forty are prisoners ... I have received for my share, four gunshot wounds, one of which is mortal. I owe this misfortune to the treachery of the Iroquois. Die Indianer sind natürlich an allem schuld, das ist so. In Wirklichkeit liegt die Schuld für die Niederlage bei Dieskau, der seine kleine Armee geteilt hatte, statt sie beisammen zu halten. Dass die letzte Schusswunde in den Unterleib, die ihm ein Engländer (nach Dieskau war es ein abtrünniger Franzose) beigebracht hat, mortal ist, erweist sich als falsch. Er wird noch zwölf Jahre lang leben. Bis 1763 in England und danach auf seinen Besitzungen in Suresnes bei Paris.

In den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts hat man in den Wäldern die Skelette von vier englischen Soldaten gefunden (und im letzten Jahr will jemand 1.200 Tote in einer Schlucht gefunden haben), man hat sie umgebettet und jetzt liegen sie in einem neu angelegten Lake George Battlefield Park.

Und dann gibt es noch eine kleinere Gedenkstätte im Wald für den Colonel Ephraim Williams (nach dem das Williams College benannt ist) und den Mohawk Führer King Hendrick (Hendrick Theyanoguin). Die sich als Vorhut ein wenig tölpelhaft in eine Falle der Franzosen begeben hatten. Dieser Teil der Schlacht wird später den Namen The Bloody Morning Scout bekommen. William Johnson hat den Indianerhäuptling King Hendrick sehr geschätzt, und hat nach dessen Tod für seine Witwe gesorgt. Dass die kriegführenden Parteien sich der untereinander verfeindeten Indianerstämme als Hilfstruppen bedienen, wird nach der Schlacht von Lake George und der Belagerung des Forts William Henry zu einem grausamen Kleinkrieg führen, dessen Leidtragende die Siedler an den Grenzen der englischen Kolonien sind.

In Europa wird der Krieg nach den Regeln des Kabinettskrieges des 18. Jahrhunderts geführt, der zivilisiertesten Form des Hinschlachtens, hier in den englischen Kolonien wird der schmutzige Krieg erfunden (Maler wie ➱Charles Wimar oder hier John Vanderlyn werden das im 19. Jahrhundert vermarkten). Es ist eine Form des Krieges, aus der die Nationen viel gelernt haben. Einen bodycount gibt es nicht erst im Vietnamkrieg, die Franzosen zahlen den Indianern Prämien für jeden ➱Skalp. Die Engländer auch. Erstaunlicherweise gibt es gleichzeitig im fernen Europa einen Kult des ➱Edlen Wilden, wo alle Indianer immer so edel sind wie in den Büchern, die wir lasen, als wir klein waren.

Die Schlacht vom Lake George ist in diesem Blog schon in den Posts ➱Montcalm und ➱Edle Wilde erwähnt worden.

Montag, 7. September 2015

Septemberhimmel


What General Weygand has called The Battle of France is over. The battle of Britain is about to begin. Upon this battle depends the survival of Christian civilisation. Upon it depends our own British life and the long continuity of our institutions and our Empire. The whole fury and might of the enemy must very soon be turned on us. Hitler knows that he will have to break us in this island or lose the war. If we can stand up to him, all Europe may be free and the life of the world may move forward into broad, sunlit uplands. But if we fail, then the whole world, including the United States, including all that we have known and cared for, will sink into the abyss of a new Dark Age made more sinister, and perhaps more protracted, by the lights of a perverted science. Let us therefore brace ourselves to our duties, and so bear ourselves that, if the British Empire and its Commonwealth last for a thousand years, men will still say, "This was their finest hour". 

Als Winston Churchill das am 18. Juni in seiner berühmt gewordenen ➱Rede (Sie können sie ➱hier lesen und hören) sagt, gibt er dem, was jetzt kommt, einen Namen: Battle of Britain. Sie hat aber noch nicht angefangen. Und sie ist im September eigentlich schon zu Ende. Heute vor fünfundsiebzig Jahren wird London zum ersten Mal bei Tag von der deutschen Luftwaffe angegriffen. Die Deutschen haben es aufgegeben, die Flugplätze an Englands Südküste anzugreifen, um Englands Luftwaffe zu vernichten. Weil sie den Luftkrieg gegen die Hurricanes und Spitfires der Royal Air Force verloren haben. Das Unternehmen Seelöwe ist gescheitert, so wie Napoleons Versuch der ➱Invasion scheiterte. Für den Air Vice Marshall Keith Park markierte deshalb der 7. September das Ende der Battle of Britain.

We few, we happy few, we band of brothers steht in dem Glasfenster der Royal Air Force Chapel in der Westminster Cathedral. Das sind die Worte, die Shakespeares Henry V vor der Schlacht von Azincourt am St. Crispin's Day spricht. Sie sind sicher passend für die Royal Air Force, über die Winston Churchill sagte: Never in the field of human conflict was so much owed by so many to so few. Die schöne Rhetorik ➱Churchills (der seinen Nobelpreis für Literatur sicher nicht zu Unrecht bekommt) verdecken, dass sich die Air Marshalls der Royal Air Force nicht darüber einig sind, wie man den Deutschen begegnen soll. Neben der Luftschlacht gibt es einen Krieg in der politischen und militärischen Führung.

Sir Hugh Dowding und Keith Park werden sich mit ihrem Konzept durchsetzen, sie gewinnen die Luftschlacht um England. Aber man dankt ihnen nicht, sie werden beide abserviert. Dowding verliert sein Kommando, der Neuseeländer Park (der in dem Film Luftschlacht um England von Trevor Howard gespielt wird) wird nach Ägypten versetzt. Es hat etwas länger gedauert, bis man seine Verdienste offiziell anerkannte. 1946 macht der König ihn zum Knight Grand Cross of the Order of the Bath, und 1947 wird Lord Tedder, der Oberbefehlshaber der RAF über ihn sagen: If any one man won the Battle of Britain, he did. I do not believe it is realised how much that one man, with his leadership, his calm judgement and his skill, did to save, not only this country, but the world.

Vor zehn Jahren im September hat der Prince of Wales (in der Uniform eines Air Chief Marshal) das ➱Battle of Britain Monument in London eröffnet. Das Riesenrad, das auf dem Photo zu sehen ist, gehört nicht dazu, das ist auf der anderen Seite der Themse. Leben und Tod sind hier durch den Fluss getrennt. We few, we happy few, we band of brothers. Es hat lange gedauert, bis the few ein Monument bekamen - außer dem Glasfenster in der Westminster Cathedral. Das Monument ist mit privaten Spenden finanziert worden. Der Vorsitzende des Komitees für die Spendensammlung war der konservative Politiker Lord Tebbit. Das passte, er war sogar einmal in den fünfziger Jahren RAF Pilot gewesen.

Ein Denkmal ist nichts ohne ein ➱Gedicht. Und das heißt The Few und wurde von Edward Shanks geschrieben. Ich zitiere einmal das Prelude:

Now is this the last stronghold, defended only
By a frail handful of thistledown machines,
And now depends on these strange, unknown young men
Our inmost life.

But surely we have known them,
Our sons, our nephews, friends of our sons and daughters,
Gay and amusing, welcome in our houses
We knew them when the stronghold was their play-ground,
Young men to whom their land had given her plenty . . .
Tea on the airfield lawn, the light bird-chatter
Of young girls dressed like flowers, the casual flip,
Taking a dozen counties in its span,
The sports-car back to town, the cocktail bar,
Dinner, a show, the dancing and the laughter. . .

Till Cinderella's midnight, when the gong
Called for a change of lights, the flower-hues faded,
The bird-chatter was stilled, and they stood out,
Changed to our eyes in the livid glare of danger,
Separate in their blue, strange and unknown.


Vor fünf Jahren gab es hier mit ➱Battle of Britain schon einen ausführlichen Post. Die Battle of Britain wird auch erwähnt in den Posts: ➱Trevor Howard, ➱Peter C.W. Gutkind, ➱Myra Hess, ➱Royal Flying Corps, ➱Wildlederschuhe, ➱Made in England, ➱Mount Everest

Minden


Am 1. August 1759 fand bei Minden eine Schlacht zwischen den Engländern und den Franzosen statt. Der Wikipedia Artikel sagt dazu: Minden blieb zunächst im Besitz der Alliierten, bis es im Sommer 1759 erneut durch französische Truppen eingenommen wurde. Im Ergebnis der am 1. August 1759 vor den Toren der Stadt erfolgten Schlacht bei Minden fiel die Festung endgültig an die alliierten Streitkräfte. Da durch die Schlacht bei Minden die Briten die Vorherrschaft über Nordamerika und Indien erhielten, war der 1. August 1759 der einzige Tag, an dem Minden Weltgeltung hatte. Traditionell wird in den britischen Regimentern weltweit und in der nordenglischen Stadt Preston mit großem Umzug der Minden Day gefeiert. Aber auch in Minden findet jährlich eine Feier am Denkmal zur Erinnerung an die Schlacht von Minden statt. 

Weltgeltung für einen Tag, das ist doch etwas. Dies ist ein Krieg, der über den Kabinettskrieg des 18. Jahrhunderts hinausgeht, weil er weltweit geführt wird. Aber eben auch bei Minden. Kein toller Ort für eine Schlacht, die Weser ist ein Hindernis. Von den moorigen Wiesen ganz zu schweigen. Der Historiker Frank McLynn hat mit seinem Buch 1759: The Year Britain Became Master of the World gezeigt, dass das Jahr 1759 für die englische Geschichte vielleicht wichtiger ist als das Jahr 1066.

Die Schlacht von Minden wird schon in dem Post ➱Münchhausen erwähnt. Damit sind wird bei ➱Wilhelm Raabe und seinem Roman Das Odfeld, in dem der gute Herzog Ferdinand von Braunschweig-Wolfenbüttel (hier gemalt von Anna Rosina de Gasc) eine große Rolle spielt. Er kennt die Gegend, er hat die Festung Minden schon im Vorjahr eingenommen. Eine große Rolle spielt in Raabes Roman auch der englische General George Augustus Eliott, der auch in dieser Schlacht ist. Er ist uns schon in dem langen Post ➱Hoya begegnet. Ein Post, der weniger mit dem kleinen Kaff Hoya, als mit der Belagerung von Gibraltar zu tun hat. Eine große Rolle könnte in der Schlacht auch der General Lord George Sackville spielen, aber der entpuppt sich als kläglicher Versager.

George Germain Lord Sackville ist der typische englische Aristokrat des 18. Jahrhunderts. Sein Vater war der Herzog von Devon, ein Freund von George I, der auch Sackvilles Taufpate war. Sackville ist ein arroganter Hund, ein Gentleman ist er nicht. Er erzählt gerne schmutzige Geschichten aus dem Palast. Er war auf einer Public School und einer Universität, aber viel scheint da nicht hängengeblieben zu sein. Er besitzt eine schöne Bibliothek, liest aber keine Bücher. Er lässt sich zwar von ➱Reynolds (hier auf einem Kupferstich nach einem Gemälde von Reynolds), ➱Romney und ➱Gainsborough malen, aber eigentlich gehört er eher in die Welt von ➱Hogarth.

Die vielen Kriege im 18. Jahrhundert sind gut für die englische Malerei. Wer adelig ist - oder Geld hat - lässt sich malen, wenn er ins Feld zieht. Man weiß ja nicht, ob man zurückkommt. Wenn man ein Held wird, dann lässt man sich wieder malen. Am besten von Joshua Reynolds und dann in einer Pose wie General Granby unten. Bei dem Bild oben von Sackville hat sich Reynolds nicht besonders angestrengt. Der Pferdekopf kostet den Kavalleristen zwar extra, stammt aber aus der Retorte. Das ist beim Pferd vom Marquess Granby ganz anders. Die Portraitmaler in dieser Zeit haben häufig einen kleinen Pferdestall neben ihrem Studio. Man möchte ja sein Pferd in voller Schönheit auf dem Bild haben. Nicht so mickrig wie bei Sackville. Lieber so wie das Pferd von ➱Major William Clunes, das Raeburn hier gemalt hat.

Schwul soll Sackville auch noch gewesen sein. Er taucht in der Presse als the buggering hero und the pederastical American Secretary auf (und ist die Hauptperson in Charles Churchills ➱Gedicht The Times), aber das sind die upper class Engländer irgendwie ja alle. Und sicher sind Zeilen wie Sackville, both Coward and Catamite, commands Department honourable, and kisses hands With lips that oft in blandishment obscene Have been employed... auch Teil einer politischen Verleumdungskampagne. General Sir John Ligonier (der schon in dem Post zu ➱Maurice de Saxe erwähnt wird) hatte seine Karriere in der Armee gefördert, und in der Schlacht von Fontenay, die Maurice de Saxe gewann, war er einen Augenblick lang ein kleiner Held gewesen. Aber nicht bei Minden.

Sackville (hier 1778 von George Romney vor symbolisch düsterem Himmel gemalt) war sauer, dass man ihm nur den Oberbefehl über die Kavallerie und nicht über alle englischen Truppen gegeben hat. Er tut in der Schlacht nicht das, was man ihm mehrfach befiehlt: er greift nicht an. Ich fand dauernd die größte Schwierigkeit, die Intervalle oder aber das Aussehen einer Linie einzuhalten, mit der größten Aufmerksamkeit auf ihre Bewegung, und dem Anhalten bei den ersten Anzeichen von Unregelmäßigkeiten. Um mit Kraft und Geschwindigkeit anzugreifen, muss man ohne Eile und Durcheinander vorrücken. Generäle verstehen nie, was man ihnen sagt, immer gibt es Unklarheiten mit den Befehlen. Angeblich versteht er das Englisch nicht, das der Hauptmann Wintzingerode (der Adjutant von Herzog Ferdinand) spricht. Das mit dem Nichtverstehen war bei ➱Balaclava nicht anders. Oder in einem Großmanöver der Bundeswehr vor fünfzig Jahren, lesen Sie doch einmal den Post ➱Fallex.

Dem General Granby (hier wunderbar von Reynolds gemalt, mit dramatischem Himmel und schwarzem Diener) wird das Ganze jetzt zu bunt, er will mit seiner Kavallerie vorrücken, Sackville hält ihn auf. Er kann Granby nicht ausstehen, der Mann ist populär, Sackville wird von allen gehasst. Die hannöverschen Offiziere beklagen sich jeden Tag beim Herzog Ferdinand, dass das mit Sackville so nicht weitergeht. Granby darf also vorerst nicht angreifen. Erst wenn Sackville ohne Eile und Durcheinander vorrückt. Nachdem er seine Linien geordnet hat. Da ist allerdings die Schlacht schon so gut wie zu Ende, und die Franzosen, die er verfolgen sollte, sind entkommen. Nach der Schlacht wird Sackville abberufen, Granby wird der Befehlshaber der englischen Einheiten in Deutschland. Er hat einen Stabsoffizier namens ➱Charles O'Hara, der wird uns noch im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg begegnen. Wo wir dann viele der Beteiligten der Schlacht von Minden wiederfinden: ➱Lord Cornwallis, ➱Baron Riedesel und William Phillips.

Der Herzog von Braunschweig erwähnt den General Sackville in seinem offiziellen Bericht der Schlacht (dies Bild wurde in Minden während der Feiern 2009 gemacht) mit keinem Wort. Verlangt aber vom König, von dem er gerade zwanzigtausend Pfund und den Hosenbandorden für den Sieg bekommen hat, Sackvilles Abberufung. Und schreibt Sackville, auf Französisch, wie es sich in der feinen Welt gehört, einen Brief: Je vous dirés doré tout simplement que je nài pu voir avec indifference ce qui e'est fait avec la cavallerie de la droite. Vous commandés tout le Corps Brittanniques; ainsi votre poste fixé ne devait pas etre tout la cavallerie, mais vous deviés egalement conduire les uns et les autres euivant que vous en trouviés l'occasion pour coopererals reussited' une journés iglorieuse pour l'armés. Je vous si fourni la plus belle occasion pour profiter et pour faire decider la sort de cette journés, si mes ordres avaient etês remplis au pied de la lettre, . . . Le temoinage que j'ai rendu à mylord Granby je lai dois parce qu'il le merite a tous egards at qu'il ne ma manquée dans tous d'occasions. Ce n'este regle que puisque je loue l'un que je blame l'autre. Mais il ne me peut pas être indifferent si mes ordres ne s'executent point et qu'on ne veut ajouter foi aux porteurs de cet ordre.

Sackville kommt vor ein Kriegsgericht (das aus elf Generalleutnants und vier Generalmajoren besteht). Man kann die Verhandlung ➱hier nachlesen. Das mit dem Kriegsgericht hat er selbst gewollt, obwohl man ihn gewarnt hat, dass die Sache auch mit der Todesstrafe enden könne wie bei ➱Admiral Byng. Er wird dort eine Rede halten, die er sorgfältig lange vorbereitet hat. Er muss dafür einen Ghostwriter gehabt haben. Jonathan Swift, den er aus Dublin kannte, kann es nicht gewesen sein, der war da schon tot. Wer auch immer es war, in dieser Situation beweist sich die Wahrheit the pen is mightier that the sword. Am Schluss seiner Rede wird er sagen: This defence is intended, not for the world, but for the information of the court. All I at present desire, is, that mankind would suspend their judgments of my mankind would suspend their judgments of my conduct, till the evidence is closed. Er glaubt an einen Freispruch. Aber es kommt anders, das Kriegsgericht befindet, er sei unfit to serve His Majesty in any military capacity whatsoever. Und der König setzt noch eins drauf und lässt bei allen Regimentern der Armee verlesen: It is his majesty's pleasure, that the above sentence be given out in public orders, that officers being convinced that neither high birth, nor great employments, can shelter offences of such a nature; and that seeing they are subject to censures much worse than death to a man who has any sense of honour, they may avoid the fatal consequences arising from disobedience of orders. Sackville wird aus der Armee ausgestossen, sein Name als Mitglied des Privy Council wird gelöscht.

Recht so, würden wir sagen. Man würde vermuten, dass sich der Lord (hier von Gainsborough gemalt) auf seine Besitzungen zurückzieht, Forellen angelt oder Moorhühner schießt. Und dass wir nie wieder etwas von ihm hören. Weit gefehlt. Mit Lord North und dem neuen König ➱George III, der ihn auch stillklammheimlich wieder in das Privy Council aufnimmt, steigt er wieder auf. Er wird 1775 Secretary of State for the American Department, und er wird seinen Teil dazu beitragen, dass George III eines Tages über den Verlust seiner ach so geliebten amerikanischen Kolonien klagen kann. Vielleicht nicht in der Form, in der ➱Philip Freneau sich das vorstellte, aber es war für ihn doch ein Verlust.

Sackville (der mal einen Staatssekretär namens ➱Benjamin Thompson beschäftigte) hat ein langes Kapitel in The Men Who Lost America: British Leadership, the American Revolution, and the Fate of the Empire von Andrew Jackson O'Shaughnessy, aber der Autor geht viel zu nett mit ihm um (und macht kuriose Fehler: er macht Herzog Ferdinand zum Schwiegersohn von Friedrich II - er war sein Schwager). Allein die Tatsache, dass Sackville voll hinter dem total bescheuerten Plan von Gentleman Johnny Burgoyne (hier von Reynolds gemalt) stand, zeigt wie begrenzt sein strategisches Denken ist. In Saratoga endet der großartige Plan, eine ganze englische Armee geht verloren. Sie können ➱hier mehr dazu lesen.

Politiker vergessen schnell. Oder die Öffentlichkeit vergisst zu schnell. Aber irgendwie sind Politiker Stehaufmännchen, die hoffen, dass man alles vergessen hat. Mir fällt zu diesem Vergessen immer der Otto Wiesheu ein. Vielleicht liegt das auch daran, dass ich gerade einen Artikel von Gabriele Goettle (auf diesem Bild ist sie ganz links, neben ihr Enzensberger) gelesen habe. Die ist im Juli von der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung mit dem Johann Heinrich Merck Preis ausgezeichnet wird worden. Was ich rein zufällig von ihr gelesen hatte, war die Geschichte, wie der Wiesheu Otto den polnischen Rentner Josef Rubinfeld totgefahren hat. Der polnische Jude hatte Dachau überlebt, aber nicht mit seinem Polski Fiat die bayrische Autobahn und den Mercedes von Dr jur. ➱Otto Wiesheu. Der natürlich hackevoll war, das versteht sich für einen bayrischen Politiker. Er wurde in zweiter Instanz in einem skandalösen Prozess (in dem die Verteidigung versuchte, Wiesheu als ein Opfer darzustellen) zu zwölf Monaten Freiheitsstrafe zur Bewährung und zu einer Geldstrafe verurteilt. Wenige Jahre später war er Staatssekretär. Und wurde dann, und das ist selbst für bayrische Verhältnisse ein wenig zynisch, Verkehrsminister.

Politiker vergessen schnell. Aber die Presse nicht. Und die Schriftsteller und Journalisten auch nicht. Und so findet sich unser Lord Sackville, der inzwischen Lord Germain heißt, eines Tages als zweiter von links auf diesem Bild der politischen Kesselflicker wieder. König George (mit weißer Kochmütze) schaut dem Treiben seiner Politiker (Lord North ist auch dabei) begeistert zu. Es ist ein politischer Cartoon von ➱James Gillray, den damals jeder Engländer verstand, er hätte gar nicht der Verse, die unter dem Titel The State Tinkers unter der Zeichnung stehen, gebraucht:

The National Kettle, which once was a good one, 
For boiling of Mutton, of Beef, & of Pudding, 
By the fault of the Cook, was quite out of repair, 
When the Tinkers were sent for,—Behold them & Stare.

The Master he thinks they are wonderfully clever
And cries out in raptures, 'this done! now or never!
Yet sneering the Tinkers their old Trade pursue,
In stopping of one Hole - they're sure to make Two.

Und was hängt da über dem Bild von Lord Germain an der Wand? Richtig, ein Plan of Minden, eine Karte von Minden. Minden wird ihn nie loslassen. Noch zwei Stunden vor seinem Tod erzählt er seinem ehemaligen Staatssekretär Richard Cumberland (hier von Romney gemalt) - der das etwas speichelleckerische ➱Buch Character of the late Lord Viscount Sackville geschrieben hat - dass das mit Minden alles ganz anders war. Aber die Dinge hätte er vor dem Kriegsgericht nicht offenlegen können. Es ist immer schön, wenn man an seine eigenen Verschwörungstheorien glaubt.

In Minden gab es vor sechs Jahren zum 250. Jahrestag der Schlacht eine große Feier. Mit ➱re-enactment. Engländer waren auch da. Aber niemand von der Familie Sackville. Vor sechs Jahren war ich noch kein Blogger, sonst hätte das hier schon am 1. September 2009 in SILVAE gestanden.